Aktuell heute aus dem Netz…Mitte Dezember 2022

Gastbeitrag von Gabor Steingart

Das riskante Spiel der Klimahochstapler

Dorf Auenheim beim Braunkohle Kraftwerk, RWE Power AG Kraftwerk Niederaußem, bei Bergheim, NRW, NRW, Deutschland, BraunkIMAGO/Jochen TackBraunkohle-Realität in Deutschland

Dienstag, 13.12.2022, 09:56

Die Klimadebatte wird dominiert von zwei Spezies. Da sind zum einen die Klimaleugner, die rundweg bestreiten, dass es eine durch den Menschen verursachte Erderwärmung gibt. Aber die gute Nachricht ist: Diese Spezies ist vom Aussterben bedroht. Ruhig zurücklehnen geht trotzdem nicht.

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Denn relevanter ist ein zweiter Menschenschlag, weil dieser eine weit höhere politische Reichweite erzielt und den öffentlichen Diskurs dominiert. Nennen wir diese Spezies ruhig die Klimahochstapler, denn es handelt sich um jene Menschen, Unternehmen und Parteien, die scheinbar ehrgeizige, aber in Wahrheit irreale CO₂-Reduktionsziele verkünden.The Pioneer

Sie führen die Welt hinter die Fichte. Und sie tun das in doppelter Absicht: https://www.focus.de/finanzen/news/undefined

1. Sie wollen Tatkraft vortäuschen. Ihr Heiligenschein schimmert nicht wie in der Marienverehrung gülden, sondern grün.

2. Sie hoffen, mit ihrer zur Schau gestellten Ambition bei den Jüngeren emotional, bei den Aktionären materiell und bei den Wählern politisch punkten zu können.

Irreales Klima-Versprechen von heute produziert Enttäuschte von morgen

Warum ist das relevant? Weil diese Menschen, Unternehmen und Parteien wie Revolutionäre klingen, aber in Wahrheit Hochstapler sind. Der Tag, an dem der Schwindel auffliegt, liegt in aller Regel außerhalb ihrer Wahlperiode oder ihrer Amtszeit als Vorstandschef.

Das Ganze ist auch riskant: Denn das irreale Versprechen von heute produziert die Enttäuschung von morgen. Hier wird mit den idealistischen Idealen der Jugend gespielt. So züchtet man Aktivisten – und im schlimmsten Fall sogar Klimaterroristen.

Beispiel USA:

Microsoft hat versprochen, den CO₂-Ausstoß bis 2030 auf null zu fahren. Bis 2050 will das Unternehmen sogar alle CO₂-Schadstoffe aus der Atmosphäre entfernt haben, die es seit 1975 emittiert hat. Donnerwetter, denkt man. Wenn das mal nicht visionär klingt. So funktioniert Klimamarketing.

Auch Amazon hat das Versprechen abgegeben, bis 2040 den Ausstoß des Unternehmens von der Serverfarm bis zur weltweiten Transporter-Flotte auf null zu fahren. Ein präziser Plan wurde nie vorgestellt.

Stattdessen schafft man neue Dieselfahrzeuge für die Flotte der Amazon-Paketfahrer an. Der US-Chef von Greenpeace Special Projects, Rolf Sklar, sagte gegenüber dem Newsportal Axios: „Es stellen sich ernsthafte Fragen zur Seriosität solcher Versprechen.“

Für die Elektro-Wende braucht es zusätzliche Lithium-Bergwerke

Die Wahrheit ist: Schon das Zero-CO₂-Versprechen von Microsoft und allen anderen Big Tech Unternehmen des Silicon Valley ist nur mit einer massiven Ausweitung der Batterieherstellung zu schaffen. Diese Ausweitung erfordert nach Berechnungen der internationalen Energieagentur die Eröffnung von rund 50 zusätzlichen Lithium Bergwerken auf der Welt. Die Weltbank warnt – falls das jemals geschehen sollte – vor einer gefährlichen Rückkopplung.The Pioneer

Denn eine solche Expansion der Bergwerke sei nur denkbar durch die massive Schädigung von Mensch und Umwelt, die in den Abbauregionen leben.

Beispiel Europa:

Das Verbrenner-Verbot in Europa ab 2035 ändert nichts daran, dass in weiten Teilen der Welt, überall da, wo das Geld nicht so locker sitzt, der Verbrennermotor noch den Rest dieses Jahrhunderts dominieren wird.

Alternative Kraftstoffe jetzt statt Elektrifizierung aller Fahrzeuge

Alternative Kraftstoffe könnten einen schnelleren Ausweg bieten als die Elektrifizierung aller Fahrzeuge weltweit. Mit ihrer Hilfe könnte man den weltweiten Fuhrpark von circa 1,4 Milliarden Altautos mit Verbrennungsmotor CO₂-frei bekommen. Besonders für die Entwicklungs- und Schwellenländer, wo Hunderte Millionen Autos mit uralten Motoren das Klima in besonderer Weise belasten, schlägt der ehemalige Aufsichtsratschef des Gaseherstellers Linde, Wolfgang Reitzle, diesen Weg vor. Aber niemand beschreitet ihn. Reitzle ahnt warum: „Ganz offensichtlich hat die Politik den Verbrennungsmotor zum Staats- und Klimafeind erklärt.“

Beispiel Afrika:

Die europäische Politik ignoriert die Entwicklung ihres südlichen Nachbarkontinents. Der nämlich schickt sich an, in das Zeitalter der fossilen Energie jetzt erst kraftvoll einzutreten. Nachholende Industrialisierung nennen die Soziologen das.

600 Millionen Afrikaner haben derzeit keinen Zugang zu elektrischem Strom. Sie wollen ihn haben. Und sie werden ihn bekommen. Dieser afrikanische Strom wird zu einem beträchtlichen Teil aus chinesischen Kohlekraftwerken stammen, die China derzeit mit hohem Tempo in Afrika installiert.

Afrika als Ersatzmarkt für fossile Großmächte

Denn Afrika ist für alle fossilen Großmächte dieser Erde der Ersatzmarkt, wenn die westlichen Industriestaaten tatsächlich aus Kohle und Gas aussteigen sollten. Professor Hans-Werner Sinn schreibt: Bedrohen wir die bisherigen Produzenten mit radikalen Ausstiegsszenarien, die ihre Geschäfte kaputt machen, kommen die der Bedrohung zuvor und fördern nur noch schneller. Und sie schließen jene Regionen an ihre schmutzigen Rohstoffe an, die bisher noch unterversorgt waren. Das nennt er „das grüne Paradoxon“.

Beispiel Deutschland:

Die Ausbeute von Wind- und Solarenergie ist im Winter minimal und kann angesichts fehlender Speichertechnologien – die bisher nur von der Nacht bis in den Tag speichern, aber nicht vom Sommer bis in den Winter – niemals den Weg zum Benutzer finden. Hinzu kommen die fehlenden Überlandleitungen, die die Windernte vom Norden in den Süden und vom Westen in den Osten transportieren müssten.

Es fehlt an Stromleitungen in Deutschland

Laut Bundesnetzagentur sollten mehr als 12.000 Kilometer neue Leitungen gebaut werden. Davon sind allerdings bislang nur rund 2.100 Kilometer fertig. 9000 Kilometer befinden sich im Genehmigungsverfahren – oder kurz davor.

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EON-Chef Leonhard Birnbaum: „Ein Genehmigungsverfahren für eine 110 KV Leitung dauert, wenn es gut läuft, zehn Jahre, wenn es schlecht läuft 20.“

So entsteht der missliche Umstand, dass Deutschland neben Polen die dreckigste Energieerzeugung Europas betreibt und für das Überleben seiner Industrie auf Atomenergie aus Frankreich und Flüssiggas aus Katar und den USA angewiesen ist – und bleibt.The Pioneer

Das 80-Prozent-Ziel der Erneuerbaren bis 2030 und das 100 Prozent Ziel bis 2050 sind zum jetzigen und auch zum absehbaren Stand der Technik illusorisch. Und zwar selbst bei massiver Steigerung der Inbetriebnahme von Photovoltaik- und Windkraftanlagen, wie sie die Ampelkoalition proklamiert.The Pioneer

In Deutschland weht zu wenig Wind

Der Grund ist so simpel, dass man sich scheut, ihn zu benennen: In Deutschland weht zu wenig Wind und scheint die Sonne zu selten. Die sogenannte Dunkelflaute, das Verschwinden der Sonne und das Nachlassen des Windes, kennzeichnet die Situation der erneuerbaren Energien in Deutschland.The PioneerThe Pioneer

Ein Blick auf die Stromerzeugung der letzten Tage zeigt, dass Sonne und Wind im Winter trotz heute schon deutlich höherer Kapazitäten keinen nennenswerten Beitrag leisten können. Die Dunkelflaute ist nicht nur ein Wort. Sie ist unsere tägliche Realität.

Fazit: Irreale Reduktionsziele der Firmen und politische Heilsversprechen der Politik funktionieren, wie bei einer Religion, als Opium für das Volk. Sie lösen das Problem nicht. Aber sie dämpfen die Empörung.

Klimarealisten finden kaum Gehör

Die Medien – verliebt in große Versprechen und fette Überschriften – spielen diese taktischen Spielchen mit, der Klimawandel nicht. So kommt es, dass die wichtigsten Spezies für eine funktionierende Transformation, die Klimarealisten, in der öffentlichen Debatte kaum Gehör finden.

Die unbequeme Wahrheit, dass Deutschland niemals deutlich mehr als 50 Prozent aus erneuerbaren Energien bestreiten wird und für die übrigen 50 Prozent auf grundlastfähige Energien, also moderne Gaskraftwerke und Atomenergie angewiesen bleibt, will kein Regierungsmitglied und kein aktiver Vorstandschef aussprechen. Die Ziele der Koalition als illusorisch zu bezeichnen, gilt als politisch unkorrekt.

Als Christian Lindner die Klimarealisten einst mit der Bemerkung, Klimaschutz sei etwas für Profis, in die Debatte einführen wollte, gab’s keinen Applaus, sondern Buhrufe. Die Hochstapler mögen die Profis nicht, weil die ihr Geschäftsmodell zerstören könnten. Die Unwahrheit skaliert besser. Oder um es mit Mark Twain zu sagen: „Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht.“

Zur Person

Gabor Steingart zählt zu den bekanntesten Journalisten des Landes. Er gibt den Newsletter „The Pioneer Briefing“ heraus. Der gleichnamige Podcast ist Deutschlands führender Daily Podcast für Politik und Wirtschaft. Seit Mai 2020 arbeitet Steingart mit seiner Redaktion auf dem Schiff “The Pioneer One”. Vor der Gründung von Media Pioneer war Steingart unter anderem Vorsitzender der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group. Seinen kostenlosen Newsletter können Sie hier abonnieren.

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